Now & Next
Die Plattform für choreografischen Nachwuchs zeigt regelmäßig erste eigene Arbeiten, Projekte und Arbeitsstände von Künstler*innen aus Nordrhein-Westfalen. An einem Abend werden bis zu drei kurze Stücke präsentiert. Im Anschluss gibt es einen Austausch mit den Künstler*innen. In der Oktoberausgabe von Now & Next präsentieren wir junge Ästhetiken aus der zeitgenössischen Szene und der urbanen Tanzkultur.
Dauer: ca. 90 Min.
Sa 05.10. | anschl. Talk |
Gaia Pellegrini: culo 2 aka le veline
culo 2 aka le veline ist das dritte Stück einer Serie, die sich mit dem männlichen Blick und der Präsenz von Showgirls im italienischen Fernsehen auseinandersetzt. Veline sind TV-Showgirls, deren Rolle dadurch definiert ist zu schweigen und einfach da zu sein. An der Seite des Moderators in der sogenannten „Velina-Position“ stehend, bleiben sie während der gesamten Show wortlos. Ihre Hauptaufgabe ist es, das Stacchetto zu performen, eine kurze, 30-sekündige Tanzpause, die strategisch darauf ausgelegt ist, die Aufmerksamkeit des Publikums aufrechtzuerhalten. culo 2 aka le veline konzentriert sich auf das Duo der Veline und dessen festgelegtes Schicksal. Stacchetto für Stacchetto tauchen wir in den Showtanz ein, um seine Sinnlichkeit zurückzuerobern, ihn dem männlichen Blick zu entreißen und ihn in einem queeren Narrativ neu zu gestalten. Ist es möglich, Sexualisierung abzulehnen, während Sinnlichkeit performt wird? Und kann Sexualität jenseits davon existieren, entmenschlicht zu werden? Entlang eines Bogens, der vom TV-Repertoire der 90er Jahre bis in die Gegenwart reicht, geben die Performerinnen ihre spektakuläre Rolle auf und beginnen, sich gegenseitig als Liebende und ganz ohne Spektakel zu genießen.
Die in Essen lebende Choreografin und Performerin Gaia Pellegrini absolvierte ihr Physical Theatre Studium an der Folkwang Universität in Essen und spezialisierte sich auf Choreografie am Conservatorio Superior de Danza in Barcelona. Ihre Arbeit geht von einem quasi-dokumentarischen Interesse an Archiven und Popkultur aus und beschäftigt sich mit der Untersuchung des italienischen Fernsehens und queer-feministischen Perspektiven. In Zusammenarbeit mit den Tänzerinnen Rebecca de Toro, Shauna Fischer und der Showtanzlehrerin Ley Akpinar ist culo 2 aka le veline ein work-in-progress, das 2024 während der Sommerresidenz im tanzhaus nrw entstand.
Konzept und Choreografie: Gaia Pellegrini in Zusammenarbeit mit den Performer*innen: Rebecca de Toro, Shauna Fischer; Showdance Training und Coaching: Ley Akpinar, Musik: GFOTY, Tim Pauli, Gaia Pellegrini; Lichtdesign: Haiqing Wang; Styling: Giulia Parenti; Recherche Assistenz: Alice Minervini.
Jennie Boultbee: Being With – Part 2
Wir sind alle hier und tragen jeden Tag alles mit uns herum, was uns jemals passiert ist, - jetzt in diesem Moment und danach. Inspiriert vom täglichen Leben und der Welt um sie herum, durchquert Jennie Boultbee in diesem konzentrierten Solo reale und imaginäre Zeiten und Landschaften. Sie nutzt ihren Körper als Werkzeug, um Begegnungen und Erfahrungen auszudrücken.
Welche Orte, Räume, Zeiten und Charaktere verkörpern wir? Wie wird eine imaginäre Vorstellung durch die Mittel des Tanzes zu einer physischen Materialität? Was bringt das Publikum dazu, sich in einen Tanz hineinzuversetzen? Being With - Part 2 fokussiert den Raum zwischen dem, was da ist, was nicht da ist und dem, was wir uns dazwischen vorstellen können.
Jennie Boultbee machte 2019 ihren Bachelor-Abschluss in zeitgenössischem Tanz am Trinity Laban Conservatoire. Im Jahr 2021 absolvierte sie einen MA in Tanzinterpretation an der Folkwang UdK. Seit 2021 arbeitet Jennie Boultbee als Tänzerin im Folkwang Tanzstudio und erhielt 2021 den Folkwang Tanzpreis.
Choreografie und Tanz: Jennie Boultbee; Film und Produktion: Jennie Boultbee; Musik: Capriccio I in c-Moll. Joseph Marie Clements Dall'Abaco, Elinor Frey.
Mit Unterstützung durch und Residenzen im tanzhaus nrw und IG Tanz Essen.
Sophie Yukiko: RITUAL BPM
Im März 2024 verkündete die UNESCO Kommission, dass Berliner Techno fortan Teil des
immateriellen Kulturerbes sein soll. Auf der einen Seite, ist die Anerkennung der subkulturellen Räume und Szenen die durch Techno Musik entstehen konnten wichtig, um das Bedürfnis nach einem kollektiven, tranceartigen Erlebnis aufzuzeigen und somit dafür zu sorgen, dass die Orte und Räume in denen diese erlebbar gemacht werden, schützenswert sind. Auf der anderen Seite, schreibt diese Auszeichnung jedoch eine Erasure von Schwarzer Kultur nicht nur fort, sondern festigt darüber hinaus außerdem ein Verständnis von Techno als Deutsches / Weisses Phänomen, welches erst durch einen vermeintlichen Abstand von seinem Schwarzen Ursprung zu einer Bewegung wurde, die es auszuzeichnen und anzuerkennen gilt. Derrick May, ein Mitbegründer des Techno, macht in seinen Arbeiten immer wieder deutlich, dass die Entstehung von Techno in Detroit unweigerlich an die sozialen und politischen Umstände der Schwarzen Bevölkerung gekoppelt war. RITUAL BPM versteht die Praxis des Raves als spirituelles Ritual in einer west-/panafrikanischen Tradition und will dadurch die Ursprünge der Kultur wieder sichtbar machen.
Das spirituelle Verständnis der westafrikanischen Kulturen wurde durch den internationalen Sklavenhandel – der MAAFA – in die heutigen USA, Teile Südamerikas und in die Karibik weitergetragen. In den daraus entstandenen, Kulturen, werden spirituelle Riten bis heute im Kollektiv und in Verbindung mit Körperlichkeit, Tanz, Musik und Ekstase abgehalten. Durch körperliche Erschöpfung und tänzerische Verausgabung will Sophie Yukiko in RITUAL BPM einen spirituellen Moment herstellen.
In englischer Sprache; Stroboskoplicht und laute Musik
Narrativ, Choreografie, Performance: Sophie Yukiko; Soundproduktion: Trace; Foto: Lisa Sophie Kempke; Design: Mathè. https://www.sophieyukiko.com