Davi Pontes & Wallace Ferreira
Wie kann ein Tanz der Selbstverteidigung gestaltet werden? Ohne Einsatz von Sound ist das Publikum rund um die brasilianischen Künstler*innen Davi Pontes & Wallace Ferreira platziert. Ausgehend von der Beobachtung, dass Staat und Institutionen Ordnung durch Gewalt sichern, zeigen Davi Pontes und Wallace Ferreira eine präzise und virtuose Choreografie mit Einsatz von Kampfkünsten und Capoeira. Dabei setzen sie sich kritisch mit der Tanzgeschichte auseinander: Mit der Repertório-Trilogie erforschen sie Bewegung im Feld der Schwarzen Ästhetik. Schwarze Ästhetik bezeichnet eine künstlerische und kulturelle Ausdrucksweise, die sich auf die Erfahrungen, Perspektiven und Identitäten von Schwarzen Menschen konzentriert und diese zelebriert. Die Schwarze Ästhetik ist eng mit der Geschichte, den sozialen Kämpfen und den kulturellen Errungenschaften der afrikanischen Diaspora verbunden. Es geht darum, stereotype Darstellungen zu hinterfragen und eine alternative, selbstbestimmte Perspektive zu bieten. Davi Pontes und Wallace Ferreira nutzen Nachahmung und rhythmische Muster, um die Wahrnehmung von Zeit und Raum zu erweitern.
Repertório N.2 ist das zweite Stück der choreografischen Trilogie von Davi Pontes und Wallace Ferreira. Mit unkonventionellen Techniken greifen sie auf eine alternative, untergründige Tradition von Selbstverteidigungspraktiken zurück. Durch ihre Choreografien unternehmen sie eine kritische Reflexion der Welt, in der sie leben, und begeben sich in einen choreografischen Prozess, der Vorstellungskraft und Intuition durchkreuzt. Ihr Ziel ist es, sich von jeglichen Zwängen zu befreien und den kolonialen, rassistischen und patriarchalen Rahmen westlichen Denkens zu konfrontieren. Für einen tiefgehenden Einblick in die langjährige Arbeit von Davi Pontes und Wallace Ferreira, empfehlen wir den zusätzlichen Besuch von Repertório N.3.
Davi Pontes ist Künstler, Choreograf und Forscher, der an der Schnittstelle von bildender Kunst und Choreografie arbeitet. Er studierte Kunst an der Universidade Federal Fluminense in Rio de Janeiro, Brasilien, sowie an der Escola Superior de Música e Artes do Espectáculo in Porto, Portugal. Seit 2016 präsentiert er seine Werke international in Kunstgalerien und auf Festivals für darstellende Künste. Im Jahr 2022 gewann er gemeinsam mit Wallace Ferreira den Young Choreographers’ Award [8:tension] beim ImPulsTanz Festival in Wien. Seine Arbeit erforscht die Verbindungen zwischen Choreografie, Rassismus und Selbstverteidigung, wobei er das Publikum zu einer kritischen Auseinandersetzung und Reflexion über die Produktion von Geschichte anregt.
Wallace Ferreira ist ein*e Künstler*in mit einem Hintergrund in Tanz und bildender Kunst. Ferreira studierte an der Escola Livre de Artes da Maré (ELÃ) und an der Artes Visuais do Parque Lage in Brasilien. Im Jahr 2022 gewann Ferreira gemeinsam mit Davi Pontes den Young Choreographers’ Award [8:tension] beim ImPulsTanz Festival in Wien. Wallace Ferreiras Werke wurden international in Kunstgalerien sowie auf Festivals für darstellende Künste gezeigt. Wallace Ferreiras Kreationen hinterfragen Konventionen und erforschen die Schnittstellen von Bewegung, Performance, Voguing und visuellen Darstellungen
Dauer: 30 Minuten
Rahmenprogramm
Fr 23.05. 18:00 |
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Fr 23.05. anschließend |
An Artist Talk(s) mit Davi Pontes und Wallace Ferreira Moderation: Felipe dos Santos Boquimpani, in Englisch und brasilianischem Portugiesisch (mehr Infos unten) |
Sa 24.05. 20:00 | Repertório N.3 |
An Artist Talk(s) with Davi Pontes & Wallace Ferreira
„Die Erfahrung der Trance besteht genau darin: verschiedene Zeitlichkeiten zu bewohnen und in einem Körper multiple Körperlichkeiten hervorzubringen. Aus den vielen historischen Zeitzonen, die diesen Zustand mitformen, treten Gesten, Stimmen, Reden, Syntaxen auf. Sie verkünden nicht mehr die vielen Zukünfte der Gegenwart, sondern verweisen auf Vergangenheiten, die wir noch zu leben haben.“ (José Fernando Peixoto de Azevedo: Letter to Lepecki, 2021, S. 163, Übersetzung tanzhaus nrw)
Die Repertoires von Davi Pontes & Wallace Ferreira konfrontieren uns mit der Frage der Zeitlichkeit von Gewalt – mit ihren Wiederholungen, Aussetzungen und Wiederaufnahmen, mit ihren Transmutationen, Verfeinerungen und Beharrlichkeiten. Im Gespräch mit dem Theaterkünstler und ‑Wissenschaftler Felipe dos Santos Boquimpani diskutieren wir, inwiefern die szenischen Künste in der gegenwärtigen transnationalen und postkolonialen Konstellation an einer komplexen und sensiblen Auseinandersetzung mit der historischen Verschränkung zwischen Gewalt, Kultur und ideologischen Gemeinwesen beteiligt sind: Welche Zeitlichkeiten werden im Transit zwischen den formal ehemaligen Kolonien und Metropolen zurückgeholt, imaginiert und verschoben? Was für Körper werden da hervorgebracht? Und welches Wissen setzen sie voraus? Denn wenn Staat, Institution und Choreografie koloniale, rassische und hetero-cis-patriarchale Ordnungen festschreiben, so entwickeln Pontes & Ferreira ein Machtspiel, das dieses Negative umkehrt und zurückgibt. Doch wie ist eine andere Zeit in im Publikum zu verkörpern?
In Kooperation mit der Emmy Noether-Nachwuchsgruppe (DFG) Dramaturgien im Zeichen der Gewalt. Transnationales Theater zwischen Globalem Süden und Norden an der Ruhr-Universität Bochum: https://dramaturgies-afterlife.de/
Felipe dos Santos Boquimpani ist ein neugieriger Regentropfen im Dickicht. Als zweifacher Vater spielt er Theaterwissenschaftler und findet manchmal sogar noch Zeit, sich selbst als Künstler ernst zu nehmen. Er studierte Szenische Künste (B.A., Schwerpunkt Regie, 2012–2017) an der Universität São Paulo sowie Angewandte Theaterwissenschaft (M.A., 2018–2022) in Gießen. Seit 2024 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Emmy Noether-Forschungsgruppe „Dramaturgien im Zeichen der Gewalt. Transnationales Theater zwischen globalem Süden und Norden“ am Institut für Theaterwissenschaft der Ruhr-Universität Bochum.
Seine Forschungsinteressen umfassen künstlerische Prozesse, Proben- und Arbeitsformen, Repräsentationstheorien von Erkenntnistheorie bis zur politischen Philosophie, kulturelle Ethno-Anthropologie, Subjektivitätstheorien, Formen persönlicher und kollektiver Erinnerung, nicht-moderne Zeitlichkeiten und dekoloniale Strategien.
In seinem Promotionsprojekt „Equivocations of Decolonial Theater“ beschäftigt er sich mit der Frage, wie ästhetische und erkenntnistheoretische gegen-koloniale Strategien durch transnationale künstlerische Prozesse zwischen Brasilien und Europa entwickelt werden – insbesondere im Hinblick auf epistemische und ästhetische Gewalt bzw. Extraktivismus.
Als Künstler ist Felipe ausgebildeter Theaterregisseur, erfahrener Lichtdesigner und gelegentlich auch Performer.

Konzept und Performance: Davi Pontes, Wallace Ferreira; Management und Distribution: Something Great; Im Auftrag von Frestas - Trienal de Artes 2020/21 - O rio é uma serpente, kuratiert von Beatriz Lemos, Diane Lima und Thiago de Paula Souza.
Gefördert vom Bündnis Internationaler Produktionshäuser, gefördert von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien.