COC 2/6

The Choreography of Care (2/6)

Liz Rosenfeld / Rodrigo Garcia Alves

Was tun wir hier, und wie tun wir, was wir tun? Zwischen utopischem und nihilistischem Verlangen formt sich diese lebenslange Begegnung zwischen uns langsam und zunehmend in Richtung der Vorstellung eines Hospizes, was unsere Körper und unsere Bindung aneinander betrifft.

Zentrale Fragen bei der Einrichtung dieses Hospizes: 

Wie stellst du dir die letzte Phase deines Lebens vor?

Welche Lieder sollen bei deiner Beerdigung gespielt werden (nenne so viele, wie du willst)?

Wo siehst du dich in den letzten Momenten deines Lebens (Umgebung, Menschen, Gegenstände, Farben, Geschmack usw.)?

Wie kann jemand Teil einer Gemeinschaft sein, ohne aktiv daran teilzunehmen?

Eine laufende Fragensammlung als Grundlage für unser Hospiz:

Wie kann jemand alleine sein, während man noch zusammen ist?

Wie bleiben Ideen und Vorstellungen frisch, ohne alt zu werden?

Wie kann jemand Kontrolle aus der Hand geben, aber sich trotzdem selbstbestimmt für seinen/ ihren eigenen Tod fühlen?

Wie kann Hospizarbeit die Bedürfnisse queerer Menschen berücksichtigen und das Narrativ des Todes de-institutionalisieren und de-linearisieren?

Wie können wir dem Verlangen des Individuums und der Gemeinschaft gleichermaßen Rechnung tragen?

Betrifft Sterben nur die Lebenden?

Nimm an dieser Übung teil, indem du deine eigenen Fragen ergänzt und körperliche Interaktion vorschlägst, während du dir dein eigenes Hospiz vorstellst.

Danke für Ihre Bemühungen, auch wenn diese Anforderungen nicht erfüllt werden können.”

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– Zwoisy Mears-Clarke
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– Liz Rosenfeld / Rodrigo Garcia Alves

Zwoisy Mears-Clarke

Lauf’ weiter
bis du angehalten wirst
von einem kleinen Baum
nicht größer als 4 Zentimeter
   oder von einem stacheligen Busch
der seine Haken in dich versenkt
oder von diesem Baum, unter dem du
an Sonntagen gerne sitzt,
um deinen Morgentee zu trinken
oder einfach
von dem Pflanzenwesen,
das du näher kennenlernen willst
genau jetzt.

Das Pflanzenwesen, das dich anhält, ist dein*e Tanzpartner*in.

Wie am Beginn eines höfischen Tanzes
verneige dich und gib deine Hand der Oberfläche des Pflanzenwesens
wie es sich zu dir hinstreckt.

Gleicht euer Rhythmusgefühl an.

Behalte die Hand auf deren Oberfläche.

. . .

Wie deine Tanzpartner*in
bemerke die Temperatur der Luft
die Feuchtigkeit, das Wetter.

Lass dich von dieser wahrgenommenen
Atmosphäre führen
zu einer einbehaltenen Erinnerung
von ausgestelltem Bedauern
oder kaltgestellter Scham
oder hergebrachter Angst
oder so einer umklammerten Geschichte,
die um ihre Wiederentdeckung hofft.

Beweg’ dich
mit dieser Erinnerung.
Lass’ sie in deinem Geist ganz nach vorne treten.
Gib genug Zeit
damit sie den Weg bewältigen kann.

Dies wird den Tanz leiten.

So das Falten, Krümmen, Biegen und Drehen
der Wirbelsäule im Takt des gemeinsamen Rhythmus
die Sprache dieses Tanzes ist,
lass’ deine Wirbelsäule die Geschichte deiner Erinnerung erzählen.

Dein*e verwurzelte*r Partner*in wird dies empfangen und entsprechend (bewegend) antworten.

. . .

Erinnerungen
Geschichten
Zu begegnen, kann erschreckend sein.
Doch können wir zu ihnen zurückkehren.


Auszug aus „To those living in Uckermark: Winter 2021” [„An die in der Uckermark Lebenden: Winter 2021“] von Zwoisy Mears-Clarke

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Rodrigo Garcia Alves / Liz Rosenfeld

Rodrigo Garcia Alves lebt als brasilianischer Choreograf, Performancekünstler und Kurator in Berlin. Seit 2005 schafft er Soli und gemeinschaftliche Arbeiten, in denen er Gedanken von kreativer Übersetzung, queeren Affekten und Collage als choreografische Methode aufschließt.

Liz Rosenfeld lebt als Künstlerin in Berlin und arbeitet mit Film/ Video, Liveperformance, sozialer Skulptur und experimentellen Schreibansätzen, um die Nachhaltigkeit emotionaler und politischer Ökologien, der Methodologien des Cruising sowohl als auch vergangener und zukünftiger Geschichte im Hinblick auf die Arten, in denen Erinnerungen queer gelesen wird, zu untersuchen.

Während der vergangenen dreieinhalb Jahre, in einer Reihe von Residenzen, haben Rodrigo und Liz ihr bevorstehendes Duett mit dem Titel Thank you for making an effort, even if these requests cannot be fulfilled geschaffen, eine Performancearbeit, die sich dem Thema der Hospizarbeit (Lebensendfürsorge/ Strategien des Sterbens) durch queere Perspektive und Begehren annähert.

Zwoisy Mears-Clarke

Zwoisy Mears-Clarke ist ein Choreograf* der Begegnung. Zwoisy Mears-Clarke nutzt die stetig wachsenden Möglichkeiten der Choreografie, um Mechanismen der Unterdrückung anzugehen, die menschliche Interaktion systematisch und interpersonell unterminieren (dies beinhaltet Ableismus, Rassimus, Blackness, Whiteness, Neokolonialismus und Sexismus). Durch Tanz, oder besser: durch kollektive Bewegung verlangt es Zwoisy danach, alltäglichen Zwang in vorübergehenden Umgebungen und offenen Begegnungen, die ansonsten unerreichbar scheinen, auszusetzen und erschafft so Möglichkeiten, sich auf andere Weise miteinander zu bewegen. Zwoisy Mears-Clarkes künstlerische Entwicklung wurde maßgeblich durch Mary Cochran, Anna Mülter, Joy Mariama Smith, Paula Chaves Bonilla und mehrere Schwarze feministische Führungsfiguren geprägt. Derzeit lebt Zwoisy Mears-Clarke in Rösrath, Deutschland.

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Thema

The Choreography of Care

Claire Cunningham, Bethany Wells und Luke Pell